Verschwörungstheorien

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Prof. Stefanie Mahrer (li) mit den Organisierenden des Vortrags (Foto: Doris Brodbeck)
Verschwörungstheorien begleiten die Menschheit und Muster wiederholen sich. Sie waren legitim, dann verfemt, gewinnen heute aber wieder an Akzeptanz. Wir müssen ihnen entgegentreten, da sie das Vertrauen in Institutionen schwächen, die Gesellschaft spalten und zu Radikalisierung und Gewalt beitragen können. So etwa ein Fazit des Vortrages von Prof. Dr. Stefanie Mahrer im Zentrum St. Konrad am 18. April.
Joachim Finger,
Im Mittelalter haben Kirchen nicht unerheblich zur Verbreitung von Verschwörungstheorien beigetragen. Sie richteten sich v.a. gegen die Juden, denen Brunnenvergiftung (Pest) und Ritualmorde an Christenkindern vorgeworfen wurden. Der für Machthaber angenehme und wohl auch gewollte Nebeneffekt der resultierenden Pogrome war, dass mit den ermordeten und vertriebenen Juden auch die Schulden bei ihnen verschwanden. Die Macht hinter den Verschwörern war jeweils der Teufel.
Mit der Aufklärung begann die Überzeugungskraft der religiösen Deutungen zu schwinden. Doch bis ins 20. Jh. war es durchaus legitim, gegen Juden zu sein und entstellenden Erzählungen über sie zu glauben. Freimaurer, andere «Hochgradlogen» und Illuminaten gehörten dabei in ihre Nähe. Die treibende Kraft war jetzt weniger der Teufel als das Verlangen nach Weltherrschaft. Dieses Verlangen wird in der Gegenwart wahlweise auf diverse Geheimdienste, Aliens und Reptiloide, WEF, Bilderberg, usw. und immer noch die Juden projiziert. Die längst als Fälschung entlarvten sog. «Protokolle der Weisen von Zion» werden immer noch auflegt und zitiert – u.a. im arabischen Raum, aber auch in Deutschland und der Schweiz!
Die Referentin hat sich in ihrer Masterarbeit intensiv mit ihnen und dem aufsehenerregenden Gerichtsprozess darüber 1933 in Bern auseinandergesetzt.
Die in ihnen enthaltenen Motive tauchen in Verschwörungstheorien immer wieder auf und ziehen die Demokratie in Zweifel, richten sich gegen das allgemeine Wahlrecht, sehen Grossstädte als Verschwörungsnester. Der Zufall wird aus der Geschichte verbannt und transnationale Bestrebungen sind im Minimum verdächtig.
Mit solchen Narrativen wird die Welt nicht besser, aber zumindest scheinbar erklärbar. Und sie fördern das Selbstwertgefühl, denn sie suggerieren einen Wissensvorsprung gegenüber der unwissenden «Masse».
Das Besondere an der Situation heute ist nicht, dass Verschwörungstheorien existieren. «Das gab’s schon im alten Rom», und Zeiten des Umbruchs und der Krisen lassen Menschen immer wieder nach einfachen Erklärungen für komplexe Vorgänge suchen. 30% bis 40% der Menschen sind dabei für die Vorstellung von Verschwörungen und sog. «alternative Fakten» empfänglich. Aber nachdem sie in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg verfemt waren, gewinnen sie in den letzten Jahren zunehmend Akzeptanz als «alternative Welterklärung» und können sich dazu über die sozialen Medien weitgehend ungehindert verbreiten.
Es ist daher nicht nur für die Historikerin Stefanie Mahrer wichtig, quellenkritisch zu arbeiten, sondern Schulen, Jugendarbeit und Politik sind gefordert, die Kompetenz zur Unterscheidung von seriösen und unseriösen Nachrichten zu fördern.