Peter Vogelsanger

Plan P als sinnvolle Reaktion auf den Pfarrpersonenmangel?

Pfarramt (Foto: Kirchenweb Bilder)

Die Kirche sucht nach Wegen, wie zukünftig Pfarrstellen besetzt werden können. Es werden in den nächsten Jahren viel mehr Pfarrpersonen pensioniert als ausgebildet werden.
Peter Vogelsanger,
in den NZZ erschien zu diesem Thema ein Artikel von Prof. Pfleiderer von der Uni Basel. Dies ist natürlich nur eine mögliche Stellungnahme. Aber die Diskussion muss geführt werden.


NZZ vom 19. März 25:

Pfarrer ohne Theologiestudium

Die reformierte Kirche hat ein Nachwuchsproblem. Nun überlegt sich die Konkordatskonferenz, für eine begrenzte Zeit auch Personen auf Pfarrstellen zu berufen, die nicht Theologie studiert haben. Gastkommentar von Georg Pfleiderer

Für die kleiner werdenden reformierten Kirchgemeinden wird es in Zukunft weniger Pfarrstellen brauchen. Aber selbst dafür könnte es bald nicht mehr genug geeignete Pfarrer geben. Denn immer weniger junge Leute wollen noch Theologie studieren. Darum arbeiten Kirchen und theologische Fakultäten seit Jahren eng zusammen und haben etwa erfolgreich einen verkürzten Studiengang für Quereinsteiger entwickelt.

Doch nun scheint die Zukunftsangst bei der Konkordatskonferenz der reformierten Kirchen der Deutschschweiz und des Tessins so gross geworden zu sein, dass diese auf eine radikale Idee gekommen ist. Sie nennt sich «Plan P» und sieht vor, dass für eine begrenzte Zeit von etwa zehn Jahren auf Pfarrstellen auch Personen berufen werden können, die zwar irgendetwas studiert haben, aber nicht Theologie. Nur eine «dreimonatige, bezahlte Berufseinführung» will man ihnen abverlangen und einen kleinen, berufsbegleitenden Theologiekurs; auch die einjährige praktisch-kirchliche Ausbildung, das sogenannte Vikariat, will man ihnen fast ganz erlassen. Einzige echte Einschränkung: Mindestalter 55 Jahre. Als Bezahlung für die so generierten älteren Berufslaien sind 80 Prozent eines Pfarrerlohns vorgeschlagen. Ein so zugeschnittener «Notfallplan» solle umgesetzt werden, wenn der Mangel sonst nicht mehr zu beheben sei.

Dieser «Plan P» ist derzeit in alle neunzehn am Konkordat beteiligten reformierten Kirchen und zahlreiche andere betroffene Vereinigungen und Institutionen in die Vernehmlassung gegeben. Aus informierten Kreisen ist zu hören, dass das Echo vielerorts ein negatives sein dürfte. Junge Pfarrerinnen berichten konsterniert, sie seien gefragt worden, warum sie denn noch das lange Theologiestudium auf sich genommen hätten, wenn es nun auch ganz ohne gehe. Aus Pfarrkonventen wird mitgeteilt, dass die Idee völlig unausgegoren sei und dazu geeignet, das ohnehin angeschlagene Image ihres einstmals hoch renommierten Berufs nachhaltig zu beschädigen. An den theologischen Fakultäten fragt man sich, wie die reformierten Kirchen ihnen so in den Rücken fallen können. Auch in etlichen Kirchenleitungen herrscht offenbar Kopfschütteln über den radikalen Plan.

Zu hoffen ist, dass diese kritischen Stimmen sich durchsetzen und der fragwürdige «Plan P» rasch zurückgezogen wird. Gewiss ist der drohende Pfarrermangel ein ernstzunehmendes Problem. Doch neben Rechtsgelehrsamkeit und Medizin zählt der Pfarrerberuf traditionell zu den klassischen Professionen. Wer würde sich von einer Ärztin ohne Medizinstudium und praktische Spitalausbildung einen entzündeten Blinddarm herausschneiden lassen? Wer würde sich vor Gericht von einem Anwalt ohne Gesetzeskenntnisse vertreten lassen? Aber predigen, beerdigen, Konfirmandenunterricht halten, eine Gemeinde leiten ohne irgendwelche nennenswerten theologischen Kenntnisse: Das soll gehen. Pfarrer sein kann – zur Not – jeder?

Tatsächlich ist es eher eine Art Planlosigkeit, die der «Plan P» erkennen lässt. Es dürfte der säkulare Meinungstrend befördert werden, dass in religiösen Dingen ja sowieso jeder fühlen und erzählen könne, was er oder sie wolle. Kirchenmitglieder, die sich von Gottesdiensten noch etwas anderes erwarten als poppige Hallelujagesänge, triviale Kalenderspruchweisheiten oder Moralbotschaften, werden sich in ihren Austrittsneigungen bestärkt sehen. Manchen Kirchenleitungen scheint das aber weniger Kopfzerbrechen zu bereiten als der drohende Pfarrermangel.

Die Deprofessionalisierung des religiösen Fachpersonals wäre nicht nur ein Problem für die Kirchen; es wäre auch ein gesellschaftliches Problem. Modernen Gesellschaften, die sich als kritische, diskursive Wissensgesellschaften verstehen, kann es nicht gleichgültig sein, ob ihre etablierten religiösen Institutionen Personal einsetzen, das religiöse Praktiken und religiöse Bildung auf Augenhöhe mit anderen Kulturfeldern zu vermitteln vermag oder nicht.

«Selber denken – die Reformierten.» An diesen ihren Slogan sollten sich die Kirchenleitungen erinnern. Statt einen «Plan P» auszuhecken, sollten sie kreative Ideen entwickeln und zum Beispiel über einen «Plan pP» nachdenken, nämlich über einen Plan zur Stärkung des professionellen Pfarrerberufs. Je zahlenmässig kleiner der pastorale Nachwuchs ist, desto besser ausgebildet sollte er sein. Denn die weniger werdenden Pfarrerinnen und Pfarrer müssen vor Ort künftig verstärkt die Rolle der theologischen Verantwortungsträger einnehmen, die andere kirchliche Angestellte wie Sozialdiakone oder auch ehrenamtliche Prädikanten und Katechetinnen schulen, anleiten und theologisch beaufsichtigen.

So könnte der Pfarrermangel nicht zur Bedrohung, sondern zur Chance werden. Und die Jekami-Intuition des «Plans P» käme auch zu ihrem Recht: Alle, die willig und fähig sind, können mitmachen in der reformierten Kirche, aber unter Anleitung professioneller Pfarrerinnen und Pfarrer.

Georg Pfleiderer ist Professor für systematische Theologie/Ethik an der Universität Basel.

Aus dem E-Paper vom 19.03.2025
Bereitgestellt: 20.03.2025      
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